7 Interview

Renate Mumelter
über Sprache & Bewusstsein

Renate Mumelter ist Journalistin und Autorin, interessiert sich für Film und hat schon früh Autorinnen dazu ermutigt, ihre Texte zu veröffentlichen. Zudem verwaltet sie zusammen mit Sabine Gruber den Nachlass der Autorin Anita Pichler, unter anderem das Werk "Die Frauen aus Fanis". Während einem gemütlichen Zusammentreffen durfte ich mit ihr über Sprache, ihre Arbeit als Nachlassverwalterin und ihre Wünsche für die Zukunft sprechen.

Als Autorin und Journalistin setzen Sie sich mit sozialen, politischen und kulturellen Themen auseinander. Was liegt Ihnen in Ihren Arbeiten besonders am Herzen?

Hier muss ich als erstes etwas lachen…, weil wir mitten in Südtirol sitzen, in einem Land, in dem jetzt das Gendern verboten werden soll. Also fällt mir dieses Thema als erstes ein. Ich schreibe nicht Texte, weil ich unbedingt gendern will. Ich finde diesen Diskurs, wenn man von Texten und Arbeit redet,
so widersinnig, dass ich nur mehr lachen, mich nicht einmal mehr ärgern kann. Sonst ist mir in meiner Arbeit sehr wichtig Themen gezielt auszuwählen.
Ich stelle Dinge in den Vordergrund, die mich interessieren und die es Wert sind genauer unter
die Lupe genommen zu werden. Ich habe mich mit verschiedenen Themen beschäftigt, unter anderem auch mit oppositionellen Themen und Frauenthemen, wie man im Buch Waltraud Gebert Deeg sehen kann. Dass ich mich mit Anita Pichler beschäftige, hat damit zu tun, dass wir sehr eng befreundet waren. Ich habe sie durch eine Arbeit über schreibende Frauen für die Kulturzeitschrift Sturzflüge kennengelernt.


In der Kulturzeitschrift Sturzflüge haben Sie großen Wert draufgelegt Frauen zu Wort kommen zu lassen und weibliche Autorinnen dazu zu bringen ihre Geschichten und Texte in die Öffentlichkeit zu tragen. Worin unterscheiden
sich Texte von Frauen, von denen der männlichen Autoren und was können sie bewirken?

Anfang der 80er Jahre starteten wir mit den Sturzflügen. Damals war die Texte Landschaft noch sehr anders als heute. Die patriarchalen Strukturen im Kulturbetrieb waren zu der Zeit ausgeprägt.
Die Frauen waren nirgendwo sichtbar und unterrepräsentiert. Heute gibt es für Frauen die Möglichkeit im Kulturbetrieb präsent zu sein.
Wobei dazu man sagen muss, dass das im Kulturbetrieb und im sozialen Bereich besonders leicht ist, da diese Branchen in unserer Gesellschaft als Nebensache betrachtet werden. In anderen vermeintlich wichtigen Bereichen sind immer noch Männer an der Spitze. In Bezug auf weibliche Autorinnen denke ich, dass sie manchmal eine andere Herangehensweise haben und andere Themen in den Vordergrund stellen. Was ich noch betonen möchte im Hinblick auf Anita Pichler ist die Distanz zu dem Begriff der Frauenliteratur, der mit dem aufkommenden Feminismus in den 80er Jahren entstanden ist. Der Begriff ist eine Abwertung für
die Literatur, die Frauen schreiben.


Denken Sie, dass man mit Geschichten unsere Rollenvorstellungen aufbrechen und verändern kann?

Ich sage hier nur: Pippi Langstrumpf. Die Geschichte zeigt, dass Mädchen auch stark sein können, und spricht Mädchen und Jungen an. Zudem denke ich, dass das Umfeld für uns sehr prägend ist. Auch wenn man in der Erziehung versucht andere Weichen zu stellen ist trotzdem ein Umfeld da, das immer noch auf diese traditionellen Geschlechterrollen fokussiert ist. Alles, was eine Aufweichung mit sich bringt,
wird als Bedrohung angesehen. Angefangen beim Gendern oder bei fluiden Lebensformen. Ich bin in einem Alter, wo ich sagen kann, dass sich ein bisschen etwas verändert hat. Aber, die Veränderung ist sehr sehr sehr klein und hat sich sehr
langsam vollzogen.


Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Ja. Wobei mir das Wort nicht gefällt. Ich bin für Gleichberechtigung in allem. Das ist das Einzige,
das ich gerecht finde. Ich glaube, dass man auf eine "50/50" Gesellschaft hinarbeiten muss. Insofern bin ich Feministin, mag aber das Wort nicht, da es die Frauen in den Vordergrund stellt.


Welchen neuen Begriff würden Sie vorschlagen?

Ich denke Equalistin wäre ein passendes Wort.


Die Gleichberechtigung der Geschlechter scheint in unserer Gesellschaft in weiter Ferne zu sein.
Wir werden in Rollenbilder- und Vorstellungen gezwängt. Wie kann man dem mit Sprache und Texten entgegenwirken?

Das Erste ist die Frauen nicht nur mit zu meinen sondern zu benennen, in welcher Form auch immer, das sei jedem selbst überlassen. Entscheidend ist,
wo die Sprache verwendet wird. Wenn ich privat gendere, dann bringt das nicht viel. Wichtig ist die Sprache, die an die Öffentlichkeit geht. Bildung spielt hier auch eine wichtige Rolle. Wenn die Kinder in der Schule lernen, dass es nur einen Tischler gibt, dann ist das "nebn die Botschn". Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Sprache Bewusstsein schafft.

Renate Mumelter ist Journalistin und Autorin, interessiert sich für Film und hat schon früh Autorinnen dazu ermutigt, ihre Texte zu veröffentlichen. Zudem verwaltet sie zusammen mit Sabine Gruber den Nachlass der Autorin Anita Pichler, unter anderem das Werk "Die Frauen aus Fanis". Während einem gemütlichen Zusammentreffen durfte ich mit ihr über Sprache, ihre Arbeit als Nachlassverwalterin und ihre Wünsche für die Zukunft sprechen.

Als Autorin und Journalistin setzen Sie sich mit sozialen, politischen und kulturellen Themen auseinander. Was liegt Ihnen
in Ihren Arbeiten besonders am Herzen?

Hier muss ich als erstes etwas lachen…, weil wir mitten in Südtirol sitzen, in einem Land, in dem jetzt das Gendern verboten werden soll. Also fällt mir dieses Thema als erstes ein. Ich schreibe nicht Texte, weil ich unbedingt gendern will. Ich finde diesen Diskurs,
wenn man von Texten und Arbeit redet, so widersinnig, dass ich nur mehr lachen, mich nicht einmal mehr ärgern kann. Sonst ist mir in meiner Arbeit sehr wichtig Themen gezielt auszuwählen. Ich stelle Dinge in den Vordergrund, die mich interessieren und die es Wert sind genauer unter die Lupe genommen zu werden. Ich habe mich mit verschiedenen Themen beschäftigt, unter anderem auch mit oppositionellen Themen und Frauenthemen, wie man im Buch Waltraud Gebert Deeg sehen kann. Dass ich mich mit Anita Pichler beschäftige, hat damit zu tun, dass wir sehr eng befreundet waren. Ich habe sie durch eine Arbeit über schreibende Frauen für
die Kulturzeitschrift Sturzflüge kennengelernt.


In der Kulturzeitschrift Sturzflüge haben Sie großen Wert draufgelegt Frauen zu Wort kommen zu lassen und weibliche Autorinnen dazu zu bringen ihre Geschichten und Texte in die Öffentlichkeit zu tragen. Worin unterscheiden sich Texte von Frauen, von denen der männlichen Autoren und was können
sie bewirken?

Anfang der 80er Jahre starteten wir mit den Sturzflügen. Damals war die Texte Landschaft noch sehr anders als heute. Die patriarchalen Strukturen im Kulturbetrieb waren zu der Zeit ausgeprägt. Die Frauen waren nirgendwo sichtbar und unterrepräsentiert. Heute gibt es für Frauen die Möglichkeit im Kulturbetrieb präsent zu sein. Wobei dazu man sagen muss, dass das im Kulturbetrieb und im sozialen Bereich besonders leicht ist, da diese Branchen in unserer Gesellschaft als Nebensache betrachtet werden. In anderen vermeintlich wichtigen Bereichen sind immer noch Männer an der Spitze. In Bezug auf weibliche Autorinnen denke ich, dass sie manchmal eine andere Herangehensweise haben und andere Themen in den Vordergrund stellen. Was ich noch betonen möchte im Hinblick auf Anita Pichler ist die Distanz zu dem Begriff der Frauenliteratur, der mit dem aufkommenden Feminismus in den 80er Jahren entstanden ist.
Der Begriff ist eine Abwertung für die Literatur, die Frauen schreiben.


Denken Sie, dass man mit Geschichten unsere Rollenvorstellungen aufbrechen und verändern kann?

Ich sage hier nur: Pippi Langstrumpf. Die Geschichte zeigt,
dass Mädchen auch stark sein können, und spricht Mädchen und Jungen an. Zudem denke ich, dass das Umfeld für uns sehr prägend ist. Auch wenn man in der Erziehung versucht andere Weichen zu stellen ist trotzdem ein Umfeld da, das immer noch auf diese traditionellen Geschlechterrollen fokussiert ist. Alles, was eine Aufweichung mit sich bringt, wird als Bedrohung angesehen. Angefangen beim Gendern oder bei fluiden Lebensformen. Ich bin
in einem Alter, wo ich sagen kann, dass sich ein bisschen etwas verändert hat. Aber, die Veränderung ist sehr sehr sehr klein und
hat sich sehr langsam vollzogen.


Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Ja. Wobei mir das Wort nicht gefällt. Ich bin für Gleichberechtigung in allem. Das ist das Einzige, das ich gerecht finde. Ich glaube, dass man auf eine "50/50" Gesellschaft hinarbeiten muss. Insofern bin
ich Feministin, mag aber das Wort nicht, da es die Frauen in den Vordergrund stellt.


Welchen neuen Begriff würden Sie vorschlagen?

Ich denke Equalistin wäre ein passendes Wort.


Die Gleichberechtigung der Geschlechter scheint in unserer Gesellschaft in weiter Ferne zu sein. Wir werden in Rollenbilder- und Vorstellungen gezwängt. Wie kann man dem mit Sprache
und Texten entgegenwirken?

Das Erste ist die Frauen nicht nur mit zu meinen sondern zu benennen, in welcher Form auch immer, das sei jedem selbst überlassen. Entscheidend ist, wo die Sprache verwendet wird.
Wenn ich privat gendere, dann bringt das nicht viel. Wichtig ist
die Sprache, die an die Öffentlichkeit geht. Bildung spielt hier auch eine wichtige Rolle. Wenn die Kinder in der Schule lernen, dass es
nur einen Tischler gibt, dann ist das "nebn die Botschn". Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Sprache Bewusstsein schafft.

"Ich bin zutiefst davon überzeugt,
dass Sprache Bewusstsein schafft."

Sie betreuen den Literarischen Nachlass von Anita Pichler. Die Autorin hat die Dolomitensagen in ihrer Weise interpretiert und aufgeschrieben. Haben Sie einen Bezug zu diesen Geschichten und wenn ja, welchen?

Zu den Sagen gibt es eine lange Vorgeschichte.
Ich bin 1954 geboren und meine Lieblingsautorin
in der Jugendzeit war die Schriftstellerin Auguste Lechner, welche ja die ganzen Heldensagen bearbeitet hat. Diese Geschichten haben mir so gut gefallen. So kam es dazu, dass ich meine Dissertation über diese für die Jugend aufgearbeiteten Heldensagen geschrieben habe. Ja und mit den Dolomitensagen bin ich aufgewachsen. Man hat sie in der Schule gelesen und zu Hause erzählt gekriegt. Warum der Rosengarten rot leuchtet, wusste jedes Kind. Die Dolomitensagen waren eines der vielen Themen der Anita Pichler. Ausschlaggebend war sicher, dass zu der Zeit Ulrike Kindl über das Thema geforscht hat und Anita mit Markus Vallazza eine Zusammenarbeit begonnen hat. Dass die Fanesgeschichten Frauengeschichten sind,
war aber für mich aber schon immer klar.


Sie kommen aus Bozen, sind inmitten der Berge aufgewachsen. Fühlen Sie sich mit der Landschaft verbunden und wenn ja inwiefern?

Ja, sicher habe ich eine Verbindung zu der Landschaft. Ich habe auch eine Verbindung zu den Bergen und kann sehr gut nachvollziehen, dass diese Gesamtheit Fantasien weckt. Es sind aber nicht
die Berge an und für sich, sondern die Natur,
die inspiriert. Ausschlaggebend ist aber, ob du als Kind die Möglichkeit hattest Natur wahrzunehmen und wie dir das beigebracht wurde. Ich habe eine frühe Kindheitserinnerung, bei der ich mich im Garten mit großen Kastanienbäumen meiner Großeltern in Vahrn befinde. In einem dieser Bäume war ein großes Loch und ich stellte mir vor, dass dort die Zwerge wohnten. Ich glaube, dass Menschen sich Geschichten ausdenken, um Dinge zu erklären.


Sind Sie mit Ihrer Arbeit schon auf Widerstand gestoßen? Was inspiriert und bestärkt Sie mit Ihrer Arbeit weiterzumachen?

Jetzt sage ich etwas Hartes (lacht): ich habe mich selbst inspiriert, da ich wusste, dass ich Recht habe. Zudem sind die Neugierde und der Gerechtigkeitssinn ein sehr wichtiger Motor.


Was wünschen Sie sich in der Zukunft? Was soll sich ändern?

Für mich selbst ist es ganz einfach: Ich werde
jetzt 70, ich bin in einer Generation aufgewachsen,
die nie größere Sorgen hatte. Insofern beneide ich die jüngere Generation nicht und kann absolut verstehen, wenn diese sich wehrt und versuche sie, wo es geht zu unterstützen. Für mich privat wünsche ich mir die banalsten Dinge: Dass ich lange gesund bleibe und irgendwann "batsch" weg bin. Für die Welt, wo soll ich anfangen? Ich habe das Gefühl,
dass wir dabei sind viele Schritte zurückzumachen und dass immer noch der Individualismus ganz stark ist, von dem ich glaube, dass er nichts bringt. Gemeinwesen im Sinne der Fanis Sagen wird immer als großes Wort benutzt, findet konkret aber nicht statt. Für die Zukunft wünsche ich mir viel gesunden Menschenverstand, bei dem ich aber das Gefühl habe, dass er sehr abhanden kommt und eine extremes Umdenken in einem sozialen Sinn.

Sie betreuen den Literarischen Nachlass von Anita Pichler.
Die Autorin hat die Dolomitensagen in ihrer Weise interpretiert und aufgeschrieben. Haben Sie einen Bezug zu diesen Geschichten und wenn ja, welchen?

Zu den Sagen gibt es eine lange Vorgeschichte. Ich bin 1954 geboren und meine Lieblingsautorin in der Jugendzeit war die Schriftstellerin Auguste Lechner, welche ja die ganzen Heldensagen bearbeitet hat. Diese Geschichten haben mir so gut gefallen. So kam es dazu,
dass ich meine Dissertation über diese für die Jugend aufgearbeiteten Heldensagen geschrieben habe. Ja und mit den Dolomitensagen bin ich aufgewachsen. Man hat sie in der Schule gelesen und zu Hause erzählt gekriegt. Warum der Rosengarten rot leuchtet, wusste jedes Kind. Die Dolomitensagen waren eines der vielen Themen der Anita Pichler. Ausschlaggebend war sicher,
dass zu der Zeit Ulrike Kindl über das Thema geforscht hat und Anita mit Markus Vallazza eine Zusammenarbeit begonnen hat. Dass die Fanesgeschichten Frauengeschichten sind, war aber für mich aber schon immer klar.


Sie kommen aus Bozen, sind inmitten der Berge aufgewachsen. Fühlen Sie sich mit der Landschaft verbunden und wenn ja inwiefern?

Ja, sicher habe ich eine Verbindung zu der Landschaft. Ich habe auch eine Verbindung zu den Bergen und kann sehr gut nachvollziehen, dass diese Gesamtheit Fantasien weckt. Es sind aber nicht die Berge an und für sich, sondern die Natur, die inspiriert. Ausschlaggebend ist aber, ob du als Kind die Möglichkeit hattest Natur wahrzunehmen und wie dir das beigebracht wurde. Ich habe eine frühe Kindheitserinnerung, bei der ich mich im Garten mit großen Kastanienbäumen meiner Großeltern in Vahrn befinde. In einem dieser Bäume war ein großes Loch und ich stellte mir vor, dass dort die Zwerge wohnten. Ich glaube, dass Menschen sich Geschichten ausdenken, um Dinge zu erklären.


Sind Sie mit Ihrer Arbeit schon auf Widerstand gestoßen?
Was inspiriert und bestärkt Sie mit Ihrer Arbeit weiterzumachen?

Jetzt sage ich etwas Hartes (lacht): ich habe mich selbst inspiriert,
da ich wusste, dass ich Recht habe. Zudem sind die Neugierde und der Gerechtigkeitssinn ein sehr wichtiger Motor.


Was wünschen Sie sich in der Zukunft? Was soll sich ändern?

Für mich selbst ist es ganz einfach: Ich werde jetzt 70, ich bin in
einer Generation aufgewachsen, die nie größere Sorgen hatte.
Insofern beneide ich die jüngere Generation nicht und kann absolut verstehen, wenn diese sich wehrt und versuche sie, wo es geht zu unterstützen. Für mich privat wünsche ich mir die banalsten Dinge: Dass ich lange gesund bleibe und irgendwann "batsch" weg bin.
Für die Welt, wo soll ich anfangen? Ich habe das Gefühl, dass wir dabei sind viele Schritte zurückzumachen und dass immer noch
der Individualismus ganz stark ist, von dem ich glaube, dass er n
ichts bringt. Gemeinwesen im Sinne der Fanis Sagen wird immer als großes Wort benutzt, findet konkret aber nicht statt. Für die Zukunft wünsche ich mir viel gesunden Menschenverstand, bei dem ich aber das Gefühl habe, dass er sehr abhanden kommt und eine extremes Umdenken in einem sozialen Sinn.