4 Leggend

Delba

Bolpin war scheu wie ein Fuchs vor den Menschen. Er nahm an den Spielen der Jäger nicht teil, er ging an den Sümpfen entlang und watete in den Wassern. Die Fanes lachten über ihn, sie stiegen nicht in Sumpf und Nässe. Er unterhielt sich mit der alten Aguana im Wasser, ließ sich von den Schilfgeistern, den Mjanines streicheln und nähren. Die Aguana lehrte ihn, was er brauchte, und er fürchtete das Wasser nicht, wurde nicht wütend, wenn es die Erde von den Abhängen riss; er brauchte sie nicht.

An einem Frühlingsabend lag er da, halb im Wasser, halb im Gras, lockte die Mjanines, doch sie kamen nicht. Traurig schloss Bolpin die Augen und spürte, dass sich das Wasser von seinen Füßen zurückzog, er spürte trockene Erde unter seinem Körper. Erstaunt öffnete Bolpin die Augen, das Wasser hatte sich von der Erde getrennt und gesammelt, wie ein Auge lag es in der Abendsonne, nahm die Berge ringsum auf, die Bäume und selbst das Schilf, das Bolpin vergeblich gerufen hatte. Er beugte sich vor und sah, dass dieses Auge auch ihn aufgenommen hatte und an die Sonne zurückgegeben, wo er sich bewegte, und auch Berge, Bäume und Schilf lagen an der Sonne. Im Wasser spürte er nichts, bewegte sich nur und fühlte die Nässe nicht. Er stieg zu sich ins Wasser, wurde eins mit seinem Bild, und auf der Erde hinterließ er nichts. Als er aufschaute, über den See, saß Delba in einem Boot und lächelte. Delbas Hände waren besser als das streichelnde Schilf der Mjanines, ihre Lippen wärmer und näher an der Haut als der Wind. Delba und Bolpin zogen das Boot ans Ufer und stiegen an Land. Sie bauten sich eine Hütte aus Holz und Stein und lebten gut am See einen ganzen Sommer lang.

Bolpin war scheu wie ein Fuchs vor den Menschen. Er nahm an den Spielen der Jäger nicht teil, er ging an den Sümpfen entlang und watete in den Wassern. Die Fanes lachten über ihn, sie stiegen nicht in Sumpf und Nässe. Er unterhielt sich mit der alten Aguana im Wasser, ließ sich von den Schilfgeistern, den Mjanines streicheln
und nähren. Die Aguana lehrte ihn, was er brauchte, und er fürchtete das Wasser nicht, wurde nicht wütend, wenn es die Erde von den Abhängen riss; er brauchte sie nicht.

An einem Frühlingsabend lag er da, halb im Wasser, halb im Gras, lockte die Mjanines, doch sie kamen nicht. Traurig schloss Bolpin
die Augen und spürte, dass sich das Wasser von seinen Füßen zurückzog, er spürte trockene Erde unter seinem Körper. Erstaunt öffnete Bolpin die Augen, das Wasser hatte sich von der Erde getrennt und gesammelt, wie ein Auge lag es in der Abendsonne, nahm die Berge ringsum auf, die Bäume und selbst das Schilf,
das Bolpin vergeblich gerufen hatte. Er beugte sich vor und sah,
dass dieses Auge auch ihn aufgenommen hatte und an die Sonne zurückgegeben, wo er sich bewegte, und auch Berge, Bäume und Schilf lagen an der Sonne. Im Wasser spürte er nichts, bewegte sich nur und fühlte die Nässe nicht. Er stieg zu sich ins Wasser, wurde eins mit seinem Bild, und auf der Erde hinterließ er nichts. Als er aufschaute, über den See, saß Delba in einem Boot und lächelte. Delbas Hände waren besser als das streichelnde Schilf der Mjanines, ihre Lippen wärmer und näher an der Haut als der Wind. Delba und Bolpin zogen das Boot ans Ufer und stiegen an Land. Sie bauten sich eine Hütte aus Holz und Stein und lebten gut am See einen ganzen Sommer lang.

"Delba schüttelte den Kopf, und aus ihrem Haar tropfte Wasser."

"Delba schüttelte den Kopf,
und aus ihrem Haar tropfte Wasser."

Die Fanes blieben auf den Bergwiesen, bei den Schafen und freuten sich über den ruhigen Fluss der Wasser. Allmählich wagten sie sich abwärts auf die fetten Wiesen, wo sich das Wasser zurückgezogen hatte, wo es wärmer war, wo die Schafe auch im späten Sommer Nahrung fanden. Als die Fanes schon beinahe Delbas und Bolpins Hütte erreicht hatten, war der See ruhig geworden, als hätte er sich niemals bewegt. Delba schmiegte sich eng an Bolpin und schaute über den See: Bald muss ich Abschied nehmen, Bolpin. Er schloss sie fester in die Arme und wollte ihren Worten nicht glauben und konnte sie nicht begreifen. Delba schüttelte den Kopf, und aus ihrem Haar tropfte Wasser auf die Erde und auf Bolpin. Zwischen Wasserschleiern hörte er, was sie sagte: Wenn ich nicht zurückgehe, werden die Wasser aus dem See kommen, werden mich holen. Das ganze Tal wird überschwemmt sein, unsere Hütte, die Schafe und die Hirten der Fanes. Was geht das mich an, sagte Bolpin, was soll ich mit der Hütte ohne dich. Ein eisiger Wind zog vom Norden über Fanis, peitschte das Wasser vom See an die Hütte, häufte es, trieb es über die Schafe am Ufer aus dem See. Delba löste sich aus seiner Umarmung, Bolpin griff nach ihrem Kleid, ergriff es und hielt nur Wasser in der Hand. Es regnete die ganze Nacht. Am Morgen stieg die Sonne aus dem grauen Nest über die Berge, der See lag ruhig. Bolpin lief aus der Hütte und sah, dass Delbas Boot verschwunden war. Im Gras lag ihr Kleid, und Bolpin wühlte sein Gesicht in das nasse Tuch. Langsam schloss sich der See, reglos und blind lag er den ganzen Winter lang.

Im Frühling, als es wieder taute, fand Bolpin ein Kind im Gras, es weinte in der Morgensonne und glänzte noch nass. Bolpin nahm das Mädchen zu sich,
es wuchs heran und wurde Delba immer ähnlicher.

Die Fanes blieben auf den Bergwiesen, bei den Schafen und freuten sich über den ruhigen Fluss der Wasser. Allmählich wagten sie sich abwärts auf die fetten Wiesen, wo sich das Wasser zurückgezogen hatte, wo es wärmer war, wo die Schafe auch im späten Sommer Nahrung fanden. Als die Fanes schon beinahe Delbas und Bolpins Hütte erreicht hatten, war der See ruhig geworden, als hätte er sich niemals bewegt. Delba schmiegte sich eng an Bolpin und schaute über den See: Bald muss ich Abschied nehmen, Bolpin. Er schloss sie fester in die Arme und wollte ihren Worten nicht glauben und konnte sie nicht begreifen. Delba schüttelte den Kopf, und aus ihrem Haar tropfte Wasser auf die Erde und auf Bolpin.
Zwischen Wasserschleiern hörte er, was sie sagte: Wenn ich nicht zurückgehe, werden die Wasser aus dem See kommen, werden mich holen. Das ganze Tal wird überschwemmt sein, unsere Hütte,
die Schafe und die Hirten der Fanes. Was geht das mich an, sagte Bolpin, was soll ich mit der Hütte ohne dich. Ein eisiger Wind zog
vom Norden über Fanis, peitschte das Wasser vom See an die Hütte, häufte es, trieb es über die Schafe am Ufer aus dem See. Delba löste sich aus seiner Umarmung, Bolpin griff nach ihrem Kleid, ergriff es und hielt nur Wasser in der Hand. Es regnete die ganze Nacht.
Am Morgen stieg die Sonne aus dem grauen Nest über die Berge, der See lag ruhig. Bolpin lief aus der Hütte und sah, dass Delbas Boot verschwunden war. Im Gras lag ihr Kleid, und Bolpin wühlte sein Gesicht in das nasse Tuch. Langsam schloss sich der See,
reglos und blind lag er den ganzen Winter lang.

Im Frühling, als es wieder taute, fand Bolpin ein Kind im Gras,
es weinte in der Morgensonne und glänzte noch nass. Bolpin nahm das Mädchen zu sich, es wuchs heran und wurde Delba
immer ähnlicher.

Anita Pichler, Die Frauen aus Fanis